Wenn du wenig Zeit hast, dann bist du möglicherweise ein Meister im „Bulimie-Lernen“: Du schlägst dir vor der Klausur die Nächte um die Ohren, um dann schwallartig alles einmal auszukotzen und anschließend zu vergessen. Diese Methode mag kurzfristig dazu geeignet sein, um die Klausur zu bestehen. Langfristig tust du dir damit allerding keinen Gefallen: Nicht nur hast du unnötig viel Stress vor der Leistungskontrolle – du lernst auch überhaupt nicht nachhaltig. Innerhalb kürzester Zeit hast du alles wieder vergessen. Im Psychologiestudium gibt es jedoch viele Inhalte, die aufeinander aufbauen, insbesondere in den Bereichen Methodenlehre und Statistik. Um dann spätere Semester erfolgreich abzuschließen, musst du also alles erneut lernen. Wenn du effektiver lernen möchtest, solltest du daher fokussiert und mit Methode den Stoff verinnerlichen. Vielleicht nutzt du bereits das Pareto-Prinzip, um produktiver zu studieren und Zeit zu sparen. Lerntechniken wie die Loci-Methode helfen dir dabei, die Lerninhalte langfristig abzuspeichern und zu behalten.
Effektiver lernen durch Assoziationen
Um Informationen im Gehirn zu verarbeiten, werden elektrische Impulse zwischen Nervenzellen übertragen. Die Reizweiterleitung über die Synapsen ist stärker, je häufiger ein bestimmter „Pfad“ genutzt wird. Wenn du beispielsweise eine Information immer wieder liest, sind die betreffenden synaptischen Verbindungen wie ein breit ausgetretener, geebneter Weg. Beim Lernen ganz neuer Inhalte kannst du dir die Verbindungen eher wie dünne Trampelpfade vorstellen, die von der Natur schnell zurückerobert werden, wenn man sie nicht mehr begeht. So wird das Wissen immer weiter gefestigt. Je breiter der Pfad, umso besser kannst du dich beim nächsten Lernen an die Inhalte erinnern. Je mehr Anknüpfungspunkte das neue Wissen an bereits vorhandene Inhalte hat, umso schneller und leichter wird es gelernt. Das bedeutet, dass du dir neue Inhalte umso besser erschließen kannst, je mehr Anknüpfungspunkte und Assoziation du findest. Am leichtesten gelingt dies, wenn du Assoziationen schaffst, die einen Selbstbezug haben – also zu dir selbst in Verbindung stehen.
Der Kampf gegen das Vergessen
Der Psychologe Hermann Ebbinghaus hat, aufbauend auf seine Untersuchungen, die sogenannte „Vergessenskurve“ entworfen. Auf dieser Kurve kann man sehen, wie viel Prozent von gelernten Inhalten nach welchen Zeitraum bereits wieder vergessen ist. Anhand der Vergessenskurve wird deutlich, dass der größte Teil des Gelernten bereits innerhalb der ersten Stunden und Tage wieder verloren ist. Nach dem anfänglich schnellen Verlust flacht die Kurve dann wieder ab. Inhalte, die nach diesem anfänglichen Verlust noch im Gedächtnis sind, werden dann deutlich langsamer vergessen. Dass wir vergessen, was wir lernen, ist also ein Fakt. Doch wir können beeinflussen, wie schnell wir vergessen und wie effektiv wir lernen. Beispielsweise trägt sinnvoll strukturiertes Lernmaterial dazu bei, dass wir die Inhalte besser behalten als beispielsweise sinnlose Silben, welche Ebbinghaus in seinen Experimenten nutzte. Aktive Wiederholungen sorgen ebenfalls dafür, das Wissen langsamer zu vergessen. Zuletzt sind effektive Lerntechniken dazu in der Lage, die Vergessenskurve abzuflachen, sodass die Inhalte weniger schnell verlorengehen. Eine dieser Techniken ist die Loci-Methode, die ich dir im Folgenden vorstellen möchte.
Die Loci-Methode: Inhalte mit Orten verknüpfen
Das Wort „Loci“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „Orte“. Die Gedächtnistechnik funktioniert so, dass bestimmte Informationen mit vertrauten Orten verknüpft werden. Man ruft sich dafür einen bekannten Ort vor Augen – beispielsweise das eigene Zuhause, einen beliebten Ferienort oder den Weg zur Arbeit. Diesen Ort nutzt man nun, um neue Informationen abzuspeichern. Dabei macht man sich den bereits erwähnten Selbstbezug zu Nutze: Indem man Assoziationen schafft, die mit einem selbst zu tun haben, kann man sich die neuen Informationen besser merken.
So funktioniert die Loci-Methode:
Beginne damit, dir den gewählten Ort so detailliert wie möglich vorzustellen. Überlege dir eine feste Route, die dich durch diesen Ort hindurchführt. Auf dieser Route platzierst du nun die einzelnen Informationen, die du dir merken möchtest, indem du sie mit auffälligen oder ungewöhnlichen Bildern verknüpfst. Je lebendiger diese Bilder und Assoziationen sind, umso besser kannst du sie später wieder abrufen.
Ein Beispiel: Stelle dir vor, du möchtest dir deine Einkaufsliste merken. Auf der Liste stehen Brot, Milch und Äpfel. Nun stellst du dir vor, dass du in deinem Zuhause dringend ins Badezimmer musst, weil du hörst, dass der Wasserhahn fließt. Aus dem Wasserhahn fließt jedoch Milch. Die Milch läuft über und kommt bereits unter der Badezimmertür hervor. Um sie aufzuhalten, nimmst du etwas Brotteig und stopfst ihn unter den Türspalt. Als du dich umdrehst, fällt dir auf, dass in deiner Lampe statt der Glühbirne ein Apfel steckt.
Lass bei der Erzeugung der Assoziationen deine Fantasie frei fließen. Sie dürfen ruhig absurd oder lustig sein – das hilft dir dabei, dich auch nach Tagen oder Wochen noch gut zu erinnern.
Für welche Informationen ist die Loci-Methode geeignet?
Je nachdem, welche Art von Lerninhalten du vor dir hast, sind andere Methoden praktisch. Die Loci-Methode eignet sich besonders gut für lernintensive Informationen, die du in einer bestimmten Reihenfolge oder als Liste abrufen möchtest. Am besten funktioniert sie, wenn du dir die Informationen als visuelle Bilder übersetzen kannst. Anwendungsbereiche sind daher zum Beispiel:
- Fakten und Listen
- Vokabeln
- Geschichtliche Daten und Ereignisse
- Reden und Präsentationen
- Komplexe Fakten und Begriffe
- Zahlen und Formeln
Im Psychologiestudium gibt es viele Möglichkeiten, die Methode zu nutzen. Beispielsweise könntest du dir die Hauptkategorien des ICD oder DSM als verschiedene Räume eines Hauses vorstellen. In diesen Räumen befinden sich dann die jeweiligen psychischen Störungen anhand eines eindrücklichen Bildes symbolisiert.
Auch wenn du mündliche Prüfungen bestehen oder Präsentationen halten musst, ist die Methode nützlich. Indem du die Hauptpunkte mit einer mentalen Route verknüpfst, kannst du auch unter Stress sicher durch deine Argumente navigieren.
Selbst für abstrakte Inhalte wie Forschungsmethoden oder statistische Konzepte kann die Methode nützlich sein. Eine innere Bibliothek könnte beispielsweise als Ort dienen, an dem du dir verschiedene methodische Ansätze vorstellst: In einem Raum finden Experimente statt, in einem anderen werden Fragebögen verteilt.
Fazit: Mit der Loci-Methode gegen das Vergessen
Die Loci-Methode ist eine effektive Lerntechnik, die das menschliche Gedächtnis optimal nutzt, indem sie Informationen mit vertrauten Orten verknüpft. Sie hilft dabei, komplexe Inhalte nachhaltig zu speichern und abzurufen. Besonders im Psychologiestudium, das viele faktenreiche und aufeinander aufbauende Themen umfasst, ist diese Methode ein wertvolles Werkzeug. Durch die Kombination von lebhaften Bildern, räumlichen Vorstellungen und persönlichen Assoziationen wird der Lernstoff besser im Gedächtnis verankert. Wenn du die Loci-Methode konsequent anwendest, kannst du die Vergessenskurve verlangsamen und stressfreier sowie langfristiger lernen. So wird aus kurzfristigem „Bulimie-Lernen“ ein nachhaltiger und strukturierter Wissenserwerb.