Wenn du berufsbegleitend neben der Arbeit studierst, dann hast du vermutlich das gleiche Problem wie ich: Es gibt tausend Dinge, an die du dich erinnern und die du planen musst – manchmal ist der Kopf ziemlich voll. Und da das Leben nicht nur aus Arbeiten und Studieren besteht, ist es natürlich ebenso wichtig, im Privatleben einen freien Kopf zu behalten. Gedanken sortieren, Erinnerungen festhalten, Gefühle prozessieren – bei all diesen Dingen kann dir ein Tagebuch wertvolle Dienste leisten. In diesem Artikel möchte ich dir deshalb die Vorteile von Journaling näherbringen und dir ein paar Tipps an die Hand geben, wenn du ganz neu damit startest. Ebenso wirst du konkrete Übungen und Schreibanregungen bekommen, die du in deine Schreibroutine einbauen kannst.
Was ist Journaling?
Die meisten Menschen haben irgendwann in ihrem Leben schon einmal ein Tagebuch geschrieben. „Liebes Tagebuch …“, fing es dabei vielleicht an, bevor die Ereignisse des Tages aufgezählt wurden. Das Journaling kommt aus den USA und stammt hauptsächlich aus dem therapeutischen Kontext. Es unterscheidet sich in einigen wichtigen Punkten vom klassischen Tagebuch: Anstatt hier „nur“ den Tag und vielleicht die zugehörigen Gefühle zu beschreiben, nutzt man eine Reihe unterschiedlicher Techniken. Das Journaling muss nicht täglich praktiziert werden, sondern kann auch eine Ressource sein, die du besonders dann nutzt, wenn du es gut gebrauchen kannst. Du kannst hier einen Fokus auf einen ganz bestimmten Aspekt deines Lebens legen, indem du beispielsweise ein Dankbarkeitsjournal oder ein Self-Care-Journal schreibst.
Es gibt aber auch die Möglichkeit, das Journal zu nutzen, um über bestimmte Lernprozesse zu reflektieren, die du über einen längeren Zeitraum hinweg beobachtest. Die „Stream of Consciousness-Technik”, die ich an anderer Stelle noch einmal ausführlicher beschreiben werde, ist hauptsächlich dazu gedacht, einmal am Tag alles aufzuschreiben, was dir durch den Kopf geht und auf diese Weise in deinem Geist freier und entspannter zu werden.
Vorteile von Journaling
Wenn du regelmäßig aufschreibst, was dir durch den Kopf geht, kann das dein Leben in vielerlei Hinsicht bereichern. Nicht umsonst gilt Journaling auch als eine wirksame Therapiemethode.
Zum einen wird es dir dabei helfen, mehr Klarheit über deine Gedanken und Gefühle zu erlangen. Indem du die Dinge aufschreibst, wirst du noch einmal ganz anders in der Lage sein, sie zu prozessieren und zu reflektieren. Manchmal verstehen wir innere Prozesse erst so richtig, indem wir sie aufschreiben.
Zum anderen ist Journaling eine gute Methode, um Stress zu reduzieren. Vor allem, wenn es hektisch ist, fällt es manchmal nicht so leicht, Prioritäten zu setzen und einzuschätzen, worauf es gerade wirklich ankommt. Zudem ist das Schreiben selbst eine beruhigende Tätigkeit, da wir in der Regel schneller denken, als wir schreiben. Dadurch müssen wir beim Schreiben automatisch einen Gang herunterschrauben, was oft dazu führt, dass die Gedanken zur Ruhe kommen.
Probleme, die vielleicht in deinem Kopf herumspuken, lassen sich durch das Schreiben oft leichter greifen. Wenn wir uns mit einer Situation unwohl fühlen oder überfordert sind, dann liegt das oft zum Teil daran, dass die Sorgen und Probleme eher diffus bleiben. Indem du jedoch aufschreibst, was dich belastet, gibst du den Dingen einen Namen. Du kannst leichter einschätzen, wo du ansetzen solltest, um deine Situation zu verbessern und deine Schwierigkeiten anzugehen. Durch die Konkretheit werden die Sorgen automatisch kleiner und leiser. Die Befürchtungen und Sorgen, die sich möglicherweise unglaublich groß angefühlt haben, während sie noch in deinem Kopf waren, erscheinen nach dem Aufschreiben meist deutlich weniger schlimm.
Darüber hinaus hat das Journaling noch eine Reihe weiterer Vorteile:
- Wenn du über einen längeren Zeitraum schreibst, wirst du mentale Muster erkennen und dich selbst besser verstehen.
- Indem du bewusst positive Erlebnisse oder Dankbarkeit ausdrückst, wird sich automatisch deine Stimmung verbessern.
- Durch das Aufschreiben stärkst du dein Gedächtnis und deine Erinnerungsfähigkeit.
- Journaling fördert kreatives Denken und kann neue Ideen und Perspektiven hervorbringen.
- Indem du Ziele und Wünsche aufschreibst, bleibst du motiviert und organisiert.
- Regelmäßiges Schreiben verbessert die schriftlichen Ausdrucksfähigkeiten und kann auch die mündliche Kommunikation stärken.
- Regelmäßiges Journaling erfordert und fördert Selbstdisziplin und Konsistenz.
Und um von all diesen Vorteilen zu profitieren, benötigst du eigentlich nichts außer einem Zettel und einem Stift.
Tipps für den Anfang
Wie immer, wenn man eine neue Gewohnheit ins Leben integrieren möchte, kann es schwierig sein, dauerhaft die nötige Disziplin und Motivation dazu aufzubringen. Vielleicht ist dein Alltag bereits sehr voll und du weißt nicht, wo du das Schreiben noch unterbringen sollst? Oder du bist zwar hochmotiviert – nach ein paar Tagen kannst du dich trotzdem nicht mehr aufraffen und verbringst deine freie Zeit lieber mit „Doomscrolling“ am Smartphone oder du kommst aus der Prokrastination nicht heraus? Vielleicht gibt es auch ganz andere Hürden, mit denen du zu tun hast – Schreibblockaden, Langeweile oder den Druck, etwas Geistreiches zu Papier zu bringen.
Am Anfang ist es hilfreich, wenn du es dir möglichst leicht machst. Das heißt: Finde Dinge, die dich automatisch dazu motivieren, dich hinzusetzen und zu schreiben. Vielen Menschen hilft es, wenn sie sich einen besonders schönen Stift und ein hübsches Notizbuch für ihre Journaling-Praxis zulegen. Für andere ist es wichtig, einen ruhigen Ort zum Schreiben einzurichten, an dem sie nicht gestört werden und sich gut entspannen können. Wieder andere schreiben am liebsten im Café, in der Bibliothek, im Park oder in der Bahn. Finde heraus, was für dich funktioniert und dir dabei hilft, am Ball zu bleiben. Es gibt hier kein Richtig und kein Falsch.
Ein zweiter Tipp ist es, gut für dein körperliches Wohl zu sorgen. Mach dir ein leckeres Heißgetränk deiner Wahl oder stelle dir einen kleinen Snack bereit. Selbst, wenn du nur für 15 Minuten schreibst, kann es ungemein erden, wenn du dabei gut versorgt bist. Ich zum Beispiel setze mich gern mit meinem Morgenkaffee auf den Balkon zum Schreiben. Dieses Ritual – das Schreiben und dazu der duftende Kaffee – ist zu einer festen Routine geworden, die ich an den wenigsten Tagen ausfallen lasse.
Zuletzt – versuche, den Druck rauszunehmen, falls du welchen empfindest. Beim Journaling geht es nicht darum, frei von Rechtschreibfehlern oder immer grammatikalisch korrekt zu schreiben. Du musst auch nichts Kluges oder Besonderes zu Papier bringen. Wenn du feststellst, dass dein Kopf leer ist, dann kannst du auch einfach für ein paar Minuten aufs leere Blatt starren – oder du beginnst, über diese Leere zu schreiben. Nimm den Zustand an, in dem du gerade bist und arbeite mit dem, was präsent ist. Vielleicht spürst du auch einen großen Widerstand in dir und hast keine Lust. Wenn das so ist – kein Problem. Schreibe über den Widerstand! Das Ziel ist es nicht, jemand anderem zu gefallen – das darfst du dir immer wieder bewusst machen. Vielmehr geht es darum, dich selbst zu erleben und zu erfahren, in allen Facetten und mit allen Stimmungen, die gerade in dir sind.
5 Schreibübungen für jeden Tag
Vielleicht habe ich dich mit meinen Worten überzeugen können und du bist fest entschlossen, nun mit dem Schreiben zu anzufangen? Oder du schreibst schon seit längerem in dein Tagebuch und bist auf der Suche nach ein paar neuen Übungen und Inspirationen? Dann ist dieser Absatz für dich. Im Folgenden werde ich dir 5 Übungen vorstellen, die dir dabei helfen, in den Schreibfluss zu kommen.
Übung #1: Stream of Consciousness
Beim Stream of Consciousness (auf Deutsch „Gedankenstrom“) schreibst du einfach ungefiltert auf, was dir durch den Kopf geht. Du denkst während des Schreibens nicht großartig nach und brauchst dabei auch keiner bestimmten Reihenfolge oder Struktur zu folgen. Theoretisch musst du dich das Geschriebene am Ende nicht einmal durchlesen. Es gibt Menschen, die verbrennen die Seiten, die sie auf diese Weise zu Papier bringen. Das Ziel ist es hauptsächlich, die Gedanken zu beruhigen, die man im Kopf hat und bewusster mit ihnen umzugehen. Es ist wie eine Art Meditation, nur dass du deine Gedanken aufschreibst. Probiere es aus – du wirst dich anschließend ausgeglichener und sortierter fühlen!
Übung #2: Dankbarkeitstagebuch
Beim Dankbarkeitstagebuch nimmst du dir jeden Tag, im Idealfall am Abend, ein paar Minuten Zeit, um aufzuschreiben, wofür du dankbar bist. Das können kleine Dinge sein – das schöne Telefonat mit der Freundin, der Sonnenuntergang oder der Kaffee am Morgen. Es können Dinge sein, die vermeintlich selbstverständlich sind – ein Dach über dem Kopf und Essen auf dem Teller. Natürlich kannst du auch große, lebensverändernde Ereignisse hier aufschreiben. Es geht dabei hauptsächlich darum, sich durch diese kleine Übung bewusst zu machen, wie viel Gutes man bereits im Leben hat. Das regelmäßige Praktizieren von Dankbarkeit wird dazu führen, dass du dich insgesamt zufriedener, ausgeglichener und glücklicher fühlst.
Übung #3: Erfolgstagebuch
Diese Übung funktioniert ähnlich wie das Dankbarkeitstagebuch. Sie hat die gleiche Grundannahme: Das, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten, wird wachsen. Wenn du dich auf die schlechten Dinge in deinem Leben fokussierst, werden diese Dinge mehr Raum einnehmen. Wenn du dich auf die Dankbarkeit konzentrierst, wirst du dich dankbarer fühlen. Und wenn du deine Erfolge zu schätzen lernen möchtest, dann schreibst du eben diese Erfolge auf. So könntest du zum Beispiel jeden Abend drei Fragen beantworten:
- Was ist mir heute gut gelungen?
- Worauf bin ich stolz?
- Was ist noch ausbaufähig?
Auf diese Weise lernst du, über deine Erfolge nicht einfach gedankenlos hinwegzugehen, sondern sie stets im Blick zu behalten. Auf der anderen Seite gehst du auch proaktiv die Aspekte in deinem Leben an, in denen du dich noch weiterentwickeln und wachsen möchtest.
Übung #4: Periodische Reflektionen
Bei periodischen Reflektionen fragst du dich selbst in regelmäßigen Abständen die gleichen Dinge. Das kannst du wöchentlich, monatlich oder jährlich tun – oder in jedem anderen Zeitabstand, der sich für dich stimmig anfühlt. Das Ziel ist es dabei, bestimmte Prozesse über einen längeren Zeitraum hinweg zu beobachten. Gute Fragen für periodische Reflektionen wären zum Beispiel:
- Was habe ich letzte Woche / letzten Monat / letztes Jahr erreicht?
- Welchen Zielen bin ich nähergekommen?
- Was sind meine schönsten Erinnerungen?
- Worauf möchte ich mich nächste Woche / nächsten Monat / nächstes Jahr konzentrieren?
Selbst, wenn du deine Ziele und guten Vorsätze nicht erreichst, wirst du – indem du immer wieder den Fokus darauf legst – automatisch ein Gefühl dafür bekommen, wie du deine Prioritäten setzen möchtest. Vielleicht stellst du auch fest, dass es Ziele und Wünsche gibt, die sich längst verändert haben und die nicht mehr aktuell sind. Auch dann ist das periodische Reflektieren eine wertvolle Möglichkeit, dies zu erkennen und nicht mehr länger daran festzuhalten.
Übung #5: Traumtagebuch
Schon für Sigmund Freud waren die Träume der „Königsweg zum Unbewussten“. Tatsächlich kann es ziemlich spannend sein, immer mal wieder darauf zu achten, was beim Schlafen so im eigenen Geist passiert. Ein spannender Zusatzeffekt eines Traumtagebuches: Indem du dich öfter mit deinen Träumen beschäftigst, wirst du dich meist auch besser an sie erinnern können.
Träume helfen uns dabei, zu verstehen, was uns wirklich in der Tiefe beschäftigt. Sie können bestimmte innere Konflikte, Wünsche und Ziele offenlegen, die du dir im Wachzustand schwer eingestehen kannst. Auch so manche kreative Idee ist aus einem Traum entstanden. Es wäre also viel zu schade, den eigenen Träumen gar keine Aufmerksamkeit zu widmen. Wie genau du dein Traumtagebuch gestaltest, ist dir überlassen. Ich persönlich mag es, die Träume einfach aufzuschreiben und später einmal zu überlegen, welche Assoziationen ich zu bestimmten Inhalten habe. Von speziellen Ratgebern, in denen beschrieben wird, welche Trauminhalte welche Bedeutung haben sollen, rate ich eher ab. Die innere Welt jedes einzelnen Menschen ist individuell. Viel wichtiger finde ich es bei der Traumdeutung, herauszufinden, was man selbst zu den Motiven, Inhalten und Symbolen seiner Träume denkt und fühlt.
Fazit: So kommst du in den Schreibfluss beim Journaling
Die Übungen, die ich dir vorgestellt habe, sind natürlich nur ein kleiner Einblick. Es gibt unzählige Methoden und Techniken für das Journaling. Viele Menschen finden irgendwann eine Technik, die für sie besonders gut funktioniert und bleiben dann dabei. Erlaube dir ruhig, ein bisschen herumzuprobieren und verschiedene Übungen umzusetzen. Vielleicht möchtest du auch je nach Lebensphase und aktueller Stimmung variieren.
Hilfreich ist es auch, wenn du dich vorher fragst, was du eigentlich mit dem Schreiben erreichen möchtest. Möchtest du Stress reduzieren (Stream of Consciousness)? Dich selbst besser kennenlernen (Traumtagebuch)? Oder möchtest du bestimmte Aspekte deines Lebens stärker betonen und weiterverfolgen (Dankbarkeitstagebuch, Erfolgstagebuch, periodische Reflektionen)? Je nachdem, worauf es dir beim Schreiben ankommt, sind auch andere Übungen und Ansätze passend für dich.
Ich hoffe, ich konnte dich an dieser Stelle ein wenig für das Thema begeistern. Mich selbst begleitet das Journaling seit vielen Jahren und ich kann es mir aus meinem Leben nicht mehr wegdenken. Ich kann dir sehr empfehlen, einfach zu starten – zehn, fünfzehn Minuten sind für den Anfang vollkommen ausreichend. Wenn du es schaffst, das Schreiben als kleine Routine in dein Leben zu integrieren, wirst du bald schon die ersten positiven Effekte beobachten können.
Schreibst du schon länger oder fängst du erst mit dem Schreiben an? Wie sind deine Erfahrungen im Journaling? Welche Techniken helfen dir im Alltag? Schreib es mir gern in die Kommentare!
Ressourcen:
Ich habe mit diesem Buch zum Journaling gefunden und kann es sehr empfehlen. Es ist auf Englisch, jedoch gut verständlich geschrieben. Man kann es gut lesen, wenn man selbst mit Menschen in therapeutischen Kontexten arbeitet. Ebenso eignet es sich auch zur Selbsterfahrung:
Dieses Buch beschreibt eine Methode, in der es darum geht, auch den Körper ins Schreiben mit einzubeziehen und sich so noch tiefer mit sich selbst zu verbinden:
* enthält Affiliate-Links
Du bist gerade in der Prüfungsphase und weißt nicht, wo dir der Kopf steht? Es wäre wichtig, eigentlich Lernen und du ertappst dich dabei, ständig zu prokrastinieren? Das regelmäßige Lernen soll zu einer festen Gewohnheit in deinem Leben werden und du suchst Unterstützung dabei, deinen Plan in die Tat umzusetzen? Dann ist vielleicht mein Angebot etwas für dich. Ich begleite und unterstütze dich dabei, deine Lernziele im Studium zu erreichen.