Eigentlich hättest du tausend Dinge zu erledigen, der Schreibtisch ruft – aber irgendwie kannst du dich nicht so recht aufraffen? Die Deadline rückt immer näher und du beobachtest dich dabei, wie du, statt für die Uni zu lernen, deine Fenster putzt, dir ausgiebige 5-Gänge-Menüs kochst oder einfach an die Decke starrst? Je länger du wartest, umso schwerer wird der Start. Letztendlich beginnst du erst dann, wenn der Druck so groß ist, dass du es kaum noch aushalten kannst und kommst in großen Zeitverzug? Du schaffst zwar alles – aber der Preis ist hoch: ständiger Stress, innerer Druck und Selbstvorwürfe. Kommt dir bekannt vor? Dein „Problem“ hat einen Namen. Man nennt es Prokrastination.
In diesem Artikel erfährst du, welche möglichen Ursachen beim Prokrastinieren eine Rolle spielen und wie du gegen die Prokrastination vorgehen kannst. Dein Blutdruck und deine mentale Gesundheit werden es dir sicherlich danken!
Was ist Prokrastination?
Man geht davon aus, dass etwa jeder fünfte Deutsche von Prokrastination betroffen ist. Dieses Phänomen kann in den unterschiedlichsten Lebensbereichen auftreten: Arbeit, Schule, Haushalt, Freizeit. Es äußert sich dadurch, dass wir unangenehme Aufgaben vermeiden und uns stattdessen anderen Dingen widmen. Das tun wir so lange, bis der Druck irgendwann so groß geworden ist, dass es nicht mehr länger geht – oder bis es zu spät ist und es keinen Sinn mehr machen würde, die Aufgabe noch anzugehen. Es gibt auch das Gegenteil der Prokrastination – die Prekrastination. Menschen, die prekrastinieren, müssen jede Aufgabe sofort erledigen. Nichts darf aufgeschoben und vertagt werden – bloß weg damit! Auch wenn dieses Vorgehen auf den ersten Blick weniger behindernd erscheint – bei Betroffenen führt es oft zu hohen Stresszuständen, Erschöpfung und schlimmstenfalls zum Burnout. In leichteren Formen kennt fast jeder diese beiden Phänomene – auch wenn die meisten Menschen eher zum einen oder zum anderen neigen. Ist die Prokrastination jedoch so stark ausgeprägt, dass sie das tägliche Leben maßgeblich beeinflusst, kann auch eine Angststörung dahinterstecken, die professioneller Behandlung bedarf.
Der Preis der Prokrastination
Wer prokrastiniert, kann kurzfristig eine unangenehme Situation umgehen. Die Aufgabe, die keinen Spaß macht oder mühsam ist, wird schlichtweg verdrängt – keine Arbeit, keine Probleme. Langfristig ersparen wir uns durch dieses Verhalten jedoch keine unangenehmen Gefühle – im Gegenteil! Die meisten Menschen, die häufig Dinge aufschieben, berichten, dass ihre Stimmung darunter leidet. Am Ende des Tages fühlen wir uns unausgeglichen, gestresst und missmutig. Die Dinge, die wir liegengelassen haben, stapeln sich nur immer weiter auf dem Haufen, was es wiederum umso schwerer macht, endlich damit anzufangen. Und mehr noch: Menschen, die viel prokrastinieren, sind sogar vermehrt von Arbeitslosigkeit betroffen, sind insgesamt weniger erfolgreich im Berufsleben, verdienen weniger und leiden häufiger unter Stresssymptomen, Ängsten oder Depressionen.
Warum prokrastinieren wir?
Grundsätzlich heißt es, dass Prokrastination ein erlerntes Verhalten ist. Das bedeutet auch, dass es nicht einfach wieder zu verlernen geht – vielmehr muss es durch neue, sinnvollere Verhaltensweisen „überschrieben“ werden. Umfassend geklärt sind die Ursachen des Prokrastinierens noch nicht. Begünstigend scheint ein Tagesablauf zu wirken, der wenig feste Termine beinhaltet. Menschen, denen es schwerfällt, sich selbst zu motivieren, neigen dann eher dazu, unangenehmen Aufgaben aus dem Weg zu gehen. Bei kleinteiligen Deadlines oder regelmäßigen Meetings hingegen ist es deutlich unwahrscheinlicher, dass prokrastiniert wird. Da viele Studierende oder selbstständig Arbeitende sich ihren Tagesablauf meist selbst einteilen müssen, ist die Prokrastination auch besonders in diesen „Berufsgrupppen“ zu finden. Besonders dann, wenn du ein Fernstudium durchziehen möchtest und dich immer selbst motivieren musst, kommst du möglicherweise an die Grenzen deiner Disziplin.
Weitere Gründe für das Aufschieben können in der Erziehung begründet liegen, beispielsweise wenn man dieses Verhalten bereits bei den eigenen Eltern beobachten konnte. Auch Menschen, die unter Ängsten, Depressionen oder ADHS leiden, neigen ganz besonders zur Prokrastination.
Selbstregulation und Versagensängste als Ursache
Vor allem Personen mit ADHS – aber auch andere Menschen, die viel prokrastinieren – zeigen mitunter eine gestörte Selbstregulation. Das bedeutet, dass sie allgemein Schwierigkeiten damit haben, ihre Ziele tatsächlich in die Tat umzusetzen und zu verwirklichen. Sie sind leicht ablenkbar und verlieren ihre Pläne dann aus den Augen. Außerdem fällt es ihnen schwer, Prioritäten so zu setzen, dass sie ihren langfristigen Zielen entsprechen. Dann haben sie beispielsweise verschiedene Aufgaben auf der To-Do-List und obgleich die Aufgaben von außen betrachtet unterschiedlich gewichtet werden sollten – es wäre vielleicht gut, zum Beispiel für die Prüfung zu lernen, die am nächsten Tag stattfindet, anstatt die Fenster zu putzen, die schon seit Wochen schmutzig sind – ist es ihnen kaum möglich, sich für eine Sache zu entscheiden.
Ein anderer Grund fürs Prokrastinieren könnte sein, dass man durch die ablenkenden Tätigkeiten kurzfristige Erfolge erlebt. Die Masterarbeit zu schreiben, ist lang und anstrengend. Man sitzt tagelang am Schreibtisch und hat das Gefühl, wenig voranzukommen. Es kommt niemand, der einen lobt und einem sagt, dass man seine Arbeit gut macht (wenn man das nicht selbst tut). Putzt man stattdessen die Küche, kann man den Erfolg sofort vor sich sehen.
Auch Versagensängste begünstigen das Aufschieben. Je mehr Angst man davor hat, eine Aufgabe nicht zufriedenstellend zu Ende bringen zu können, umso höher die Wahrscheinlichkeit, gar nicht erst anzufangen. Dann ist es einfacher, sich Aufgaben zu widmen, die man leicht bewältigen kann. Auf diese Weise lässt sich das Selbstwertgefühl (kurzfristig) schützen – statt nagenden Versagensängsten hat man dann zumindest kurzfristige Erfolgserlebnisse und muss sich nicht mit der möglichen Überforderung auseinandersetzen.
7 Tipps bei Prokrastination
Viele Menschen, die prokrastinieren, gehen dabei hart mit sich selbst ins Gericht. Dabei hat das Aufschieben meist wenig mit Faulheit zu tun. Die Ursachen liegen meist deutlich tiefer. Dennoch gibt es Möglichkeiten, aus dem Teufelskreis der Vermeidung auszubrechen und wieder in die Produktivität zu kommen. Die folgenden Tipps helfen dabei:
Tipp #1: Klare Ziele formulieren
Wenn du dir am Morgen vornimmst: „Heute werde ich lernen!“, dann handelt es sich dabei um ein wenig konkretes Ziel. Dir fehlt ein Anhaltspunkt dafür, wann du dein Ziel erreicht hast – nach einer Stunde, nach einer bestimmten Anzahl an Seiten oder wenn du das ganze Buch auswendig kannst? Derartig unklare Ziele können schnell überfordern und lähmen – dir fehlen die kurzfristigen Erfolgserlebnisse. Besser ist es daher, ganz konkret festzulegen, was du schaffen möchtest:
- eine bestimmte Anzahl an Seiten durcharbeiten
- deine Karteikarten 3x wiederholen
- von 9-12 Uhr lernen
- …
Tipp #2: Realistische Ziele setzen
Achte bei der Formulierung deiner Ziele darauf, dich weder zu über- noch zu unterfordern. Ziele, die zu hochgegriffen sind, können dich hemmen und dazu führen, dass du dich gelähmt wirst – und umso mehr prokrastinierst. Zu leichte Ziele üben kaum Motivation aus, da du kaum vorankommst und so wenig erfüllende Erfolgserlebnisse hast. Überlege dir also vorher, wie viel Energie und Zeit du hast und plane deine Ziele dementsprechend.
Tipp #3: Mach dir einen Zeitplan
Wenn es keine Deadlines von außen gibt, dann stelle dir selbst Deadlines auf. Plane vorher, bis wann du deine Aufgaben erledigt haben möchtest und unterteile größere Aufgaben in Zwischenschritte. Wenn du umfangreiche Tasks in kleinere Teilschritte herunterbrichst, wirken sie nicht so beängstigend und du wirst motivierter sein, mit der Bearbeitung zu beginnen.
Tipp #4: Planen Pausen ein
Dir wird es beim Lernen oder Arbeiten nur langfristig gut gehen, wenn du dich nicht vollkommen verausgabst. Ein Gehirn, welches völlig überlastet ist, kann keine neuen Inhalte aufnehmen. Achte also darauf, regelmäßig eine Pause einzulegen und feste Arbeits- und Feierabendzeiten zu etablieren. Wenn du viel prokrastinierst, dann bist du es vielleicht gewohnt, an den Tagen vor der Deadline quasi 24/7 zu arbeiten und teilweise sogar Nachtschichten einzulegen. Dieses Vorgehen laugt dich nicht nur auf Dauer aus, es ist auch wenig nachhaltig, da dein Gehirn zu wenig Zeit hat, sich neue Inhalte zu merken. Versuche stattdessen, immer zur gleichen Zeit anzufangen und zur gleichen Zeit aufzuhören. Diszipliniere dich dazu, nach Feierabend auch wirklich Schluss zu machen und deine Zeit mit etwas zu verbringen, was dir Spaß macht und dich entspannt. Vielleicht kannst du auch mit dem Meditieren beginnen, zum Yoga gehen oder eine Sportart finden, die dir gefällt, um den Kopf freizubekommen.
Tipp #5: Minimiere Ablenkungen
Vor allem, wenn du dazu neigst, dich schnell ablenken zu lassen – achte darauf, so wenig wie möglich Ablenkungen um dich zu haben. Was sind die Dinge, mit denen du am häufigsten prokrastinierst?
- Hausarbeit? Verlagere deinen Arbeitsplatz in die Bibliothek oder ins Café.
- Smartphone? Lege dein Telefon in einen anderen Raum und / oder schalte es auf Flugmodus.
- Quatschen mit deinen Kommilitonen / Kollegen / Mitbewohnern? Lerne irgendwo, wo du allein bist.
Tipp #6: Belohne dich selbst!
Oft prokrastinieren wir vor allem bei Aufgaben, in denen wir wenig Belohnungen und kaum Erfolgserlebnisse haben. Achte daher darauf, dich selbst zu motivieren, indem du dich nach abgeschlossenen Teiletappen selbst belohnst. Koche dir nach einem produktiven Tag ein leckeres Abendessen, verabrede dich mit Freunden oder unternimm am Wochenende einen Ausflug – ganz egal. Hauptsache, du findest etwas, was dich dazu anspornt, dich aufzuraffen und mit deinen Aufgaben zu beginnen.
Tipp #7: Hole dir Hilfe!
Du merkst, dass deine Prokrastination extrem ist und du es einfach nicht schaffst, voranzukommen? Das ist keine Schande – doch wenn du dein Studium schaffen möchtest, musst du den Teufelskreis durchbrechen. Eine Verhaltenstherapie kann an dieser Stelle eine nützliche Hilfestellung sein. Alternativ könntest du dich einmal umhören, ob es an deiner Universität eine psychologische Beratungsstelle gibt. Dort kann man meist Einzelgespräche in Anspruch nehmen oder sich geleiteten Gruppen anschließen. Wenn du jemanden benötigst, der dir für einen kürzeren Zeitraum zur Seite steht und dir mit der Motivation hilft, dann kannst du auch gern mich kontaktieren. Hier erfährst du mehr über mein Angebot.
Sicherlich gibt es noch viele weitere hilfreiche Tipps und Methoden, um der Prokrastination den Kampf anzusagen. Was hilft dir dabei, produktiv und motiviert zu bleiben? Neigst du auch zum Prokrastinieren? Wenn ja – was sind deine größten Schwierigkeiten und womit bist du bereits vorangekommen?
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