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Berufsbegleitendes Studium: Gute Gründe für ein Studium mit 30+

Mein Weg zum Psychologiestudium begann ursprünglich an der Fernuniversität Hagen. Da sich solch ein Fernstudium relativ gut mit der Berufstätigkeit vereinbaren lässt, findet man dort hauptsächlich Menschen, die bereits im Berufsleben stehen und in ihren 30ern, 40ern oder 50ern sind. Gründe für ein berufsbegleitendes Studium gibt es viele: Man möchte sich beruflich weiterentwickeln, einen Traum verwirklichen, den man immer schon hatte und für den es bisher nicht die Zeit gab, oder man hat einfach das Bedürfnis, sich aus Neugierde und im eigenen Tempo weiterzubilden. Als ich jedoch nach dem zweiten Semester an eine Präsenzuniversität wechselte, überkam mich ein Gefühl, welches ich bis dato nicht kannte: Ich kam mir alt vor.

Studierende haben unterschiedliche Lebensrealitäten

Um mich herum lauter 20-Jährige, die gerade frisch vom Abitur kamen und eifrig Mitschriften anfertigten. Die sich darüber unterhielten, auf welche Party sie am Wochenende gehen würden und sich vor ihrer nächsten Klausur verrückt machten (Psychologiestudierende können das anscheinend besonders gut). Ich sage es, wie es ist: Ich fühlte mich fehl am Platz und sehnte mich zurück nach meiner Fernuni-Lernhöhle (wenn du mehr über das Fernstudium erfahren möchtest, dann schau mal hier). Ich war in einer vollkommen anderen Lebensphase und hinterfragte zum ersten Mal, ob ich mit meinen 31 Jahren nicht doch zu spät dran war. Je älter ich wurde, umso schwerer fand ich es außerdem, Informationen stur auswendig zu lernen, ohne zu hinterfragen und den tieferen Sinn dahinter zu verstehen.

Mit der Zeit legte sich glücklicherweise die anfängliche Irritation. Ich habe verstanden, dass es nicht nur wenig zielführend ist, sich zu vergleichen – jeder geht einen anderen Weg im Leben, hat andere Erfahrungen gemacht und ein anderes Tempo. Heutzutage ist es keinesfalls mehr notwendig, einen „geradlinigen Lebenslauf“ aufzuweisen, um beruflich etwas aus sich zu machen. Es ist auch so, dass es sogar einige Vorteile gibt, wenn man sich später im Leben noch einmal für ein berufsbegleitendes Studium entscheidet. Welche das ganz konkret sind, möchte ich dir in diesem Artikel ein wenig näherbringen.

Disclaimer: Das berufsbegleitende Studium Ü30 hat einige Hürden

Zuallererst: Natürlich ist ein Studium niemals nur schön. Auch dann nicht, wenn du hochmotiviert bist und schon dein halbes Leben lang für dein Fach brennst. Wenn du bereits im Berufsleben stehst oder standest, wird es vermutlich einige Abstriche geben, die du für ein berufsbegleitendes Studium machen musst:

  • Du hast weniger Geld oder weniger Freizeit zur Verfügung.
  • Es gibt weniger finanzielle Hilfe für dich. Kindergeld gibt es nur bis zu einem gewissen Alter und mit dem BAföG wird es schwierig, wenn du bereits früher schon einmal etwas anderes studiert hast.
  • Wenn du Eine eigene Familie hast, ist die Doppelbelastung schwieriger zu managen.
  • An einer staatlichen Universität bist du mitunter (je nach Uni und Studienfach) von vielen Studierenden umgeben, die deutlich jünger sind als du. Vielleicht wird es dir dadurch schwerfallen, Anschluss zu finden.
  • Dadurch, dass du das „echte Leben“ kennst, ist es vielleicht schwerer, manches an der Universität einfach so hinzunehmen. Du hast möglicherweise Probleme damit, Dinge auswendig zu lernen, die du in deinem Arbeitsalltag anders kennengelernt hast.
  • Möglicherweise fällt es dir insgesamt schwerer, neue Dinge zu lernen, als das noch mit 20 der Fall gewesen wäre.

Viele dieser Hürden sind jedoch keinesfalls unüberwindbar! Was Finanzielles und Zeitmanagement angeht, kannst du dir dein Studienleben durch die richtige Planung deutlich erleichtern. Außerdem hast du später ganz andere Ressourcen und Möglichkeiten als mit Anfang 20. Eine Möglichkeit wäre es beispielsweise, während des Arbeitens bereits Geld zurückzulegen für ein späteres Studium und so finanziell entspannter leben zu können.

Diese 5 Vorteile hat es, später im Leben ein berufsbegleitendes Studium zu beginnen

Mir ist im Studium schon oft aufgefallen, dass ich anscheinend entspannter bin als viele meiner KommilitonInnen. Vor Klausuren mache ich mir deutlich weniger Sorgen und bin auch innerlich ruhiger, als ich es noch vor ein paar Jahren gewesen wäre. Das liegt vermutlich daran, dass ich mittlerweile gute Ressourcen zur Stressbewältigung gelernt habe, beispielsweise Techniken der Meditation und Achtsamkeit. Ein anderer Aspekt ist sicherlich, dass ich das Studium nicht zwangsläufig brauche. Ich habe bereits gearbeitet und weiß, was ich kann und was meine Stärken sind.

Das Studium interessiert mich und bringt mich weiter – ich brauche es jedoch nicht, um mir selbst oder anderen etwas zu beweisen. Diese gelassenere Einstellung wiederum ermöglicht es mir, mein Studium wirklich zu genießen. Es macht mir viel mehr Spaß, als wenn ich tagtäglich nur damit beschäftigt wäre, um jeden Preis gute Noten zu schreiben. Doch auch in Bezug auf andere Aspekte ist mir aufgefallen, dass es gar nicht verkehrt ist, im Studium bereits älter zu sein:

#1: Du weißt, warum du dein berufsbegleitendes Studium durchziehen möchtest

Viele Menschen, die direkt nach dem Abitur mit dem Studium anfangen, sind eigentlich noch in einer Findungsphase. Die heutige Zeit, in der es so unglaublich viele Möglichkeiten gibt, macht es da nicht unbedingt einfacher. Die Entscheidung für ein Studium geschieht dann nicht selten aus einem gewissen Druck heraus. Wenn du jedoch bereits studiert oder eine Ausbildung gemacht hast und dich erneut für ein berufsbegleitendes Studium entscheidest, dann hast du dir höchstwahrscheinlich viele Gedanken darüber gemacht. Du brauchst das Studium vielleicht, um einen konkreten Berufswunsch zu verwirklichen, der viel greifbarer ist, als er es ohne jegliche Arbeitserfahrung wäre. Du hast ein ganz bestimmtes Ziel vor Augen und kennst dein WARUM. Dies wiederum wirkt sich positiv auf die Motivation aus und hilft dir dabei, auch in schwierigen Zeiten am Ball zu bleiben.

#2: Du bist finanziell stabiler

In Zeiten von Inflation und steigenden Preisen haben viele junge Studierende Geldsorgen. Das Klischee von der unbeschwerten Studienzeit, in der man es sich gutgehen lässt und in den Tag hineinlebt, trifft nur noch bedingt zu. Stattdessen haben die meisten Studierenden mindestens einen Nebenjob, um ihr Studium zu finanzieren. Wer kein BAföG und keine Unterstützung durch die Familie bekommt, hat es da nicht leicht. Wenn du jedoch bereits ein paar Jahre gearbeitet und sogar etwas zurückgelegt hast, wirst du dir deutlich weniger Sorgen um Geld machen müssen. Der Kopf ist dann freier, um dich auf die Studieninhalte zu fokussieren. Wenn du nebenbei arbeitest, wirst du durch deine Berufserfahrung vermutlich Zugang zu besser bezahlten Neben- oder Teilzeitjobs haben, sodass du weniger arbeiten musst, um dich finanziell über Wasser zu halten.

#3 Auf dem Arbeitsmarkt ist deine Expertise gefragt

Vielleicht machst du dir Sorgen darüber, dass spätere Vorgesetzte dich für flatterhaft oder unentschlossen halten, wenn du dich beruflich noch einmal umorientierst. Tatsächlich ist aber oft das Gegenteil der Fall: Indem du dich aus dem Arbeitsleben heraus noch einmal durch ein berufsbegleitendes Studium weiterbildest, erweiterst du nicht nur deine Expertise, du beweist auch Durchhaltevermögen, Selbstmanagement und die Fähigkeit, dich eigenständig zu motivieren. All das sind wertvolle Skills, die Personalverantwortliche häufig zu schätzen wissen.

#4: Du weißt, wer du bist

Wenn du in deinen 30ern, 40ern, 50ern oder älter bist, dann kannst du dich vielleicht noch daran erinnern, wie du dich mit 20 gefühlt hast. Ich kann dir sagen, dass ich mich damals rückblickend noch kaum gekannt habe. Ich ließ mich stark davon mitreißen, was andere taten und wollten und schlug mir auch die eine oder andere Nacht im Club um die Ohren, einzig und allein, um dazuzugehören. Heute, in meinen 30ern, kann ich viel gelassener meine Prioritäten setzen. Ich verliere mich nicht mehr in Erwartungen und Wünschen von anderen, sondern gehe meinen Weg, so wie ich es für richtig halte. Dies wiederum macht es mir viel leichter, mich auf das Studium zu fokussieren und meine Aufmerksamkeit von den Dingen abzuziehen, die akut nicht relevant sind.

#5 No regrets

Sehr oft, wenn ich erzähle, dass ich ein Psychologiestudium begonnen habe, dann erhalte ich folgende Reaktion: „Wow, ich beneide dich. Ich wollte auch immer Psychologie studieren, habe es dann jedoch nicht gemacht, wegen des Jobs / der Kinder / des Lebensstandards (oder anderen Gründen).“ Kommt dir das bekannt vor? Mir selbst ging es jahrelang so. Irgendwann wurde mir klar: Ja, das Studium wird anstrengend. Aber wenn ich es nicht wenigstens versuche, dann werde ich mich für immer fragen, wie es gewesen wäre.

Mit unserer Arbeit verbringen wir den Großteil des Tages. Welch eine Verschwendung wäre es also, unser Lebensglück einer beruflichen Situation unterzuordnen, in der wir uns nicht wohlfühlen und uns nicht verwirklichen können! Natürlich gibt es auch gute Gründe dafür, eine „okaye“ Arbeitssituation der Veränderung vorzuziehen: Fehlende Ressourcen, familiäre, finanzielle oder gesundheitliche Aspekte spielen dabei häufig eine Rolle. Doch wenn es nur die Angst vor Veränderung und Anstrengung ist, die dich davon abhält, ins kalte Wasser zu springen, dann frage dich Folgendes: Wäre es in 10 oder 20 Jahren schlimmer, mit etwas gescheitert zu sein oder eine stressige Zeit gehabt zu haben, als sich stattdessen nicht vom Fleck zu bewegen und sich immer zu fragen, wie es hätte sein können?

Fazit

Wenn du in späteren Lebensjahren entscheidest, noch einmal an die Uni zurückzugehen, dann solltest du dir bewusst machen, dass dir der Abschluss nicht in den Schoß fallen wird. Vermutlich wirst du einige Abstriche bezüglich deines Lebensstandards und deiner Freizeit machen müssen. Dennoch ist es keinesfalls unmöglich und hat auch eine ganze Reihe an Vorteilen.

Dadurch, dass du bereits gearbeitet und Geld verdient hast, bist du finanziell unabhängiger und hast dich selbst schon besser kennengelernt. Du weißt, wie du in verschiedenen Situationen funktionierst und hast vermutlich eine klarere Zukunftsvision vor Augen, die dich auch über anstrengende Phasen hinwegtragen kann. Zuletzt kann es eine unglaublich wertvolle Erfahrung sein, den Mut und die Entschlossenheit zu finden, ein Risiko einzugehen, um sich beruflich zu verwirklichen. Selbst, wenn du im Laufe des Studiums feststellst, dass es doch nichts für dich ist, wirst du die nagende Stimme in deinem Hinterkopf los, die sich ansonsten möglicherweise immer gefragt hätte, was hätte sein können.

Ressourcen

Zwei gute Bücher zum Thema Fernstudium:

Jung, Markus; Reichel, Tim: How to Fernstudium: Mit mehr Zeit, weniger Stress und besseren Noten durch deine berufsbegleitende Weiterbildung. Hamburg: Studienscheiss 2022.*

Jung, Markus; Oppermann, Anne: 100 Fragen und Antworten zum Fernstudium: Richtig begleitet zum Erfolg. Essen, Feldhaus 2024.*

*enthält affiliate Links

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