Die meisten Menschen, die sich nach einigen Jahren Berufserfahrung noch einmal für ein Psychologiestudium entscheiden oder zumindest darüber nachdenken, stolpern früher oder später über die Fernuni Hagen. Psychologie kann man hier ganz ohne NC studieren – noch dazu zu einem erschwinglichen Preis, der vergleichbar mit den Studiengebühren an einer Präsenzuni ist. Außerdem handelt es sich bei der Fernuni Hagen um die einzige staatliche Fernuniversität in Deutschland.
Das klingt doch fast zu gut, um wahr zu sein, oder? Nicht unbedingt. Ich selbst habe insgesamt ein paar Semester an der Fernuni studiert, bevor ich ins Präsenzstudium gewechselt bin. Ein paar Einblicke, die ich dort gesammelt habe, findest du in diesem Artikel.
Warum ich die Fernuni Hagen gewählt habe
Psychologie ist eines der beliebtesten Studienfächer überhaupt – dementsprechend schwierig kann es auch ein, einen Platz im Hörsaal zu ergattern. Wer kein Abitur mit 1er-Schnitt gemacht hat, wird in Deutschland wenig Chancen haben, ins Studium zu kommen. Bei mir war es so, dass Psychologie mein Zweitstudium war, da ich nach dem Abitur bereits einen anderen Masterabschluss in Präsenz gemacht hatte. Sich für ein Zweitstudium an einer Präsenzuni zu bewerben, ist ziemlich kompliziert und war in meinem Fall von vornherein relativ aussichtslos. Viele angehende Psycholog*innen entscheiden sich daher dafür, für ein Studium ins Ausland zu gehen, nach Österreich oder in die Niederlande zum Beispiel. Eine echte Alternative ist das Studium an einer Fernuniversität – wie eben an der Fernuni Hagen.
Wie ist das Studium aufgebaut?
Die Fernuniversität Hagen war im Jahr 2023 mit über 70.000 Studierenden die größte Hochschule Deutschlands. Tatsächlich wird aber nur ein Bruchteil der eingeschriebenen Studierenden das Hauptgebäude in Hagen jemals von innen sehen. Die Uni hat eine deutschlandweit ausgebaute Infrastruktur aus Regionalzentren. In diesen Regionalzentren finden Einführungsveranstaltungen statt, werden die Prüfungen geschrieben, können Präsenzveranstaltungen gebucht und Lerngruppen gegründet werden.
Grundsätzlich läuft der Studienalltag so ab: Bevor das Semester beginnt, entscheidest du, welche Module du belegen möchtest und meldest dich für diese an. Nachdem du die Studiengebühr bezahlt hast und das Semester gestartet ist, kannst du dich in die Online-Kurse über die Plattform einwählen. Damals (2019 -2021) waren es immer 180€ pro Modul. Ein Modul entsprach etwa 15 Studienpunkten, wenn du also in Vollzeit studieren möchtest, solltest du zwei Module pro Semester (zu 360€) belegen. Wenn du ein Modul nicht abschließt, kannst du es in den darauffolgenden Semestern immer wieder belegen, ohne dass du es neu bezahlen musst.
Die Inhalte für die einzelnen Module bestehen in der Regel aus Vorlesungen und Skripten, die in der Lernplattform Moodle zur Verfügung gestellt werden. Einige Skripte bekam ich damals auch von der Fernuni Hagen in Papierform zugeschickt, sodass ich sie nicht einzeln ausdrucken musste. Mit Beginn des Semesters kannst du also mit Hilfe der Videos und Lektüre den Stoff selbst erarbeiten. Jedes Modul hat außerdem ein Forum, über dass du dich mit anderen Fernstudierenden austauschen oder Lerngruppen gründen kannst.
Am Ende des Semesters entscheidest du dich, ob du Prüfungen schreiben möchtest. Diese finden in den Regionalzentren der größeren Städte statt. Ich fand es immer ziemlich aufregend, dort hinzufahren, weil es eine der wenigen Möglichkeiten ist, andere Mitstudierende zu treffen.
Das fehlende klinische Modul
Die Fernuni Hagen hat, meiner Meinung nach, sehr viele Vorteile. Das Studium dort lässt sich gut mit Beruf und Familienleben vereinbaren, ist gut aufgebaut und auch spannend. Da es sich um eine staatliche Universität handelt, erhältst du dort einen vollwertigen Abschluss, mit dem du dich ganz normal bewerben kannst. Ein Manko gibt es jedoch: Der Psychologie-Bachelor an der Fernuniversität beinhaltet kein klinisches Modul. Dieses ist jedoch Voraussetzung, wenn du später im klinischen Bereich arbeiten, einen klinischen Master machen oder eine Therapeut*innen-Ausbildung anhängen möchtest. Das heißt jedoch nicht, dass es per se unmöglich ist, mit dem Abschluss der Fernuniversität später noch in den klinischen Bereich zu kommen – es ist jedoch etwas schwieriger.
Manche Universitäten, die einen Master in Psychologie oder Psychotherapiewissenschaften anbieten, ermöglichen e,s den Absolvent*innen der Fernuni beispielsweise, vor Beginn des Masterstudiums das klinische Modul nachzuholen und dann nachträglich noch anerkannt zu bekommen. Wenn das dein Ziel ist, musst du dich auf diese Hürde einstellen. Eine andere Möglichkeit ist es, an der Fernuni in Hagen anzufangen und dann während des Bachelorstudiums an eine andere Universität zu wechseln, die ein Psychologiestudium mit klinischem Anteil anbietet. Das habe ich damals gemacht. Es ist natürlich nicht garantiert, dass dieser Weg klappen wird. Mit etwas Glück, Flexibilität bezüglich deines Wohnortes und guten Noten von der Fernuni schienen mir bisher die Chancen ganz gut zu sein.
Lernen, lernen, lernen: Wie viel Zeit muss man investieren?
Man kann pauschal nicht sagen, wie viel Zeit man zum Lernen braucht. Das hängt nicht nur davon ab, wie leicht es dir fällt, dir den Stoff zu merken, sondern auch davon, was du erreichen möchtest. Geht es dir nur darum, die Module zu bestehen? Dann ist es vermutlich ausreichend, sich alle Skripte ein- oder zweimal durchzulesen und anschließend Altklausurfragen auswendig zu lernen. Ich kenne Mitstudierende, die auf diese Weise mit minimalem Aufwand gute bis sehr gute Noten geschrieben haben. Wenn du den Stoff wirklich verstehen und auch langfristig behalten möchtest, dann ist der Aufwand natürlich ungleich größer.
Ich muss gestehen, dass ich in einigen Modulen, ganz besonders in Statistik, den Stoff nicht besonders gut aufbereitet fand. Das Lehrbuch, mit dem gearbeitet wird (Sedlmeier, P., & Renkewitz, F. (2018). Forschungsmethoden und Statistik für Psychologen und Sozialwissenschaftler) war für mich schwer durchdringbar und ich musste mich durch eine ganze Reihe an weiteren Büchern wühlen, bis ich eines gefunden hatte, mit dem ich die Grundlagen gut begriffen habe. Ich verlinke dir dieses Buch am Ende des Artikels.
Wenn man also die Skripte durcharbeitet, zusätzliche Lehrbücher studiert, sich aus verschiedenen Büchern den Stoff zusammensuchen und verstehen möchte und dann noch zusätzlich für die Prüfung lernt, sodass man Multiple-Choice-Fragen beantworten kann, sind die von der Uni empfohlenen 20 Wochenstunden pro Modul nicht unrealistisch.
Letztendlich ist es also immer eine Frage deiner Zeitressourcen, der Note, die du erzielen möchtest und der Tiefe, in der du den Stoff begreifen willst.
Fazit: Lohnt sich das Studium an der Fernuni Hagen?
Für mich war die Fernuni Hagen auf jeden Fall ein guter Einstig ins Psychologiestudium. Ohne diese Möglichkeit wäre es andernfalls nur sehr schwer für mich möglich gewesen, in diesen Studiengang hineinzufinden. Dennoch war von Anfang an klar, dass ich aufgrund des fehlenden klinischen Moduls möglichst frühzeitig an eine andere Universität wechseln wollte. Das Studium war für mich schon herausfordernd, vor allem, wenn man daneben noch weitere Belastungen (Arbeit, Familie usw.) hat. Dennoch gab es nie den Punkt, an dem ich es als unmöglich empfunden habe. Da man sich die Zeit sehr frei einteilen kann, lassen sich die Lerneinheiten gut in den Alltag integrieren. Manche meiner Kommilitonen haben bemängelt, dass sie sich bei Fragen und Problemen sehr alleingelassen gefühlt haben, weil die verantwortlichen Ansprechpartner der Uni Hagen schwer erreichbar gewesen seien. Darüber kann ich jedoch nichts sagen, weil ich nie in diese Lage gekommen bin.
Hast du noch weitere Fragen?
Oder eigene Erfahrungen mit der Fernuni Hagen gemacht?
Schreib es mir gern in die Kommentare!
Ressourcen:
* Diese Seite enthält affiliate Links
Liebe Lisa
mit Interesse habe ich grad deinen Bericht gelesen.
Ich studiere grad Psychologie an der Fernuniversität Hagen also eigentlich will ich nur ein Semester studieren. Ich will zum College in die USA und da ich nicht direkt nach dem Abi hin bin, muss ich studieren und 30 ECTS Punkte haben ( verrückte regel )
Ich habe ein paar Fragen an dich :
Ich hatte es unterschätzt , finde den Stoff grad sehr viel und tu mich grad mit Statistik und diesem R sehr schwer.
Bekomme ich die Punkte also die 30 ECTS nur, wenn ich die Prüfungen bestehe oder auch beim Nachweis der PVL ?
Und falls es so ist, dass ich bestehen muss , kannst du mit Tipps geben ? Ich will nur bestehen – Note ist egal
Woher bekomme ich altklausuren? Und gibt es diese für Modul 1 und 2 ?
Hi Leah,
erstmal vielen Dank für deinen Kommentar.
Ich fand damals die ersten beiden Module an der FUH auch sehr herausfordernd und habe sie damals auf 2 Semester aufgeteilt. Ich weiß, dass viele das so machen, weil es ansonsten sehr schwer schaffbar ist. Bei M1 würde ich dir raten, nicht zu sehr in die Tiefe zu lernen. Das dauert nur zu lange und anschließend weiß man zu viel, um die MC-Fragen gut beantworten zu können …
In Statistik fand ich die Pflichtlektüre katastrophal und kann dir nur empfehlen, die den Stoff anderweitig zu erarbeiten, zum Beispiel mit Youtube-Videos oder Büchern, die leichter zu verstehen sind. Ich fand das Buch „Keine Panik vor Statistik!“ sehr hilfreich, um alles zu verstehen. Und ja, um die 30 ECTS zu erhalten, musst du leider auch die Prüfungen bestehen. In Bezug auf Altklausurfragen – ich weiß noch, dass es eine Gruppe bei Facebook und diverse WhatsApp-Gruppen gab. Falls du Kontakt zu anderen Studis hast, versuche am besten, in diese Gruppen reinzukommen oder frag einfach mal bei Moodle nach dem Beitrittslink. Da kann man dir sicherlich helfen.
Melde dich gern, falls du noch weitere Fragen hast!
Liebe Grüße und viel Erfolg 🙂
Lisa
Freue mich über ein Antwort gern auch über email
Liebe Grüße,
Leah